Pressemitteilung vom 26.10.2020

Dr. Andre Baumann, Landtagskandidat der Grünen, diskutiert mit Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbunds, über Möglichkeiten für mehr Tierschutz.  

Reilingen. Wie kann es gelingen, dass „glückliche“ Hühner Eier legen und „glückliche“ Kühe Milch geben und dabei zugleich unsere heimischen Landwirtinnen und Landwirte bei höheren Tierschutzstandards zukunftsfähig wirtschaften? Darum ging es bei der Veranstaltung „Mehr Tierschutz – aber wie?“, zu der Dr. Andre Baumann, Landtagskandidat der Grünen, als prominenten Referenten Thomas Schröder nach Reilingen zu einer Diskussionsveranstaltung eingeladen hatte. Schröder ist Präsident des Deutschen Tierschutzbunds, des mitgliederstärksten deutschen Tierschutzverbands mit rund 800.000 Mitgliedern. Wegen der Corona-Pandemie haben Schröder und Baumann die Diskussionsveranstaltung statt im Wersauer Hof als gut besuchte Videokonferenz und Facebook-Watchparty abgehalten. 

Kennengelernt hatten sich Baumann und Schröder bei den Verhandlungen über die Tierschutznutztierhaltungsverordnung der Bundesregierung im Mai und Juni 2020, die vom Bundesrat beschlossen werden musste, erläuterte Baumann. Streitpunkt beim Bundesratsverfahren war die Kastenstandshaltung bei der Sauenhaltung gewesen, nach der Sauen über viele Wochen im Jahr in engen Gitterkäfigen gehalten werden, sich nicht drehen und nicht ungestört ausstrecken können. „Ich bin Dir, lieber Andre, dankbar, dass Du als Verhandlungsführer der Grünen mit dafür gesorgt hast, dass wir zumindest im Deckzentrum aus der Kastenstandshaltung aussteigen. Das ist deutlich weniger als notwendig gewesen wäre, aber mehr war bei den Verhandlungen nicht drin“, sagte Schröder. „Wir Grüne wollten die Sau rauslassen. Wir wollten, dass Schweine mittelfristig nicht mehr in Kastenständen, sondern in Gruppen in ausreichend großen Ställen gehalten werden. Aber das war leider mit der CDU nicht zu machen. Und die SPD hat bei den Verhandlungen überhaupt keine Rolle gespielt“, ergänzte Baumann. Wichtig sei, dass ein Ende des Kastenstands eingeläutet wurde. „Nach der Bundestagswahl muss eine neue Bundesregierung und hoffentlich ohne Agrarministerin Klöckner, einen neuer Anlauf für eine Schweinehaltung gemacht werden. Und zwar vollständig ohne enge Kastenstände.“

Schröder stellte in einem Kurzreferat die Grundprobleme des Tierschutzes in der Landwirtschaft dar. Für viele Nutztiere gebe es bislang keine gesetzlich vorgeschriebenen Haltungsanforderungen. „Es gibt in Deutschland beispielsweise weder eine Haltungsverordnung für Puten noch eine für Rinder. Es gilt lediglich das Tierschutzgesetz. Die konventionelle Putenhaltung ist oft Qualzucht. Aber was Qualzucht ist und was nicht, das ist nirgendwo definiert“, sagte Schröder. Der Gesetzgeber müsse gesetzliche Standards schaffen. Hier tue sich die derzeitige Bundesregierung sehr schwer. Und es gebe auch Rückschritte. Die seinerzeit von Landwirtschaftsministerin Renate Künast auf den Weg gebrachte Verbot der Käfighaltung von Legehennen sei von ihrem Nachfolger, Horst Seehofer, wieder aufgeweicht worden. Noch schlimmer als fehlende und mangelhafte Gesetze sei, dass die vorhandenen Gesetze in sehr vielen Fällen nicht kontrolliert würden. „Es hapert beim Tierschutz am Verwaltungsvollzug.“ Dies konnte auch die Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Tierschutz der Grünen in Baden-Württemberg, Christina Eberle, bestätigen. Die Juristin aus Mannheim und ehemalige Staatsanwältin berichtete, dass in kaum einem anderen Rechtsgebiet der Vollzug so schlecht sei wie im Tierschutz. In der letzten Legislaturperiode habe darum der grüne Landwirtschaftsminister Alexander Bonde für deutliche Verbesserungen beim Tierschutz in Baden-Württemberg gesorgt. Dies könne man von seinem Nachfolger, Peter Hauk von der CDU, nicht behaupten. 

Baumann sagte, dass die Grünen in Baden-Württemberg den Tierschutz in der nächsten Legislaturperiode stärken wollen. „Landwirtschaftliche Förderungen des Landes Baden-Württemberg sollten an ambitionierten Tierschutz geknüpft werden“, so Baumann. Für ihn ist wichtig, dass Landwirte, die vorbildlich Tierschutz betreiben, auch belohnt werden. „Wer mehr für die Gesellschaft und unsere Mitgeschöpfe leistet, muss auch finanziell davon profitieren“, sagte Baumann. 

Er erinnerte daran, dass auch die Verbraucherinnen und Verbraucher eine Verantwortung für den Tierschutz hätten. Baumann und Schröder forderten gleichermaßen eine Pflicht zur Kennzeichnung der Haltung. Bislang setze Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) nur auf eine freiwillige Haltungskennzeichnung. „Solange die Kennzeichnung nur freiwillig ist, ist dem Tierschutz-Dumping Tür und Tor geöffnet. Wir müssen vorbildlich wirtschaftende Landwirtinnen und Landwirte vor Billigfleisch schützen – durch eine Kennzeichnungspflicht“, so Baumann. Schröder setzte sich außerdem für eine Tierwohlprämie ein, wie sie die Borchert-Kommission vorgeschlagen hatte. Landwirtinnen und Landwirten, die ihre Tiere gut halten, wird eine Prämie gezahlt, so dass diese wirtschaftlich davon profitierten. Eine solche Prämie kann, so Schröder, durch eine Tierwohlabgabe auf tierische Produkte mitfinanziert werden. „Durch eine Tierwohlprämie wird Fleisch und Milch nicht wesentlich teurer. Niemand muss auf tierische Produkte verzichten. Für mich ist aber klar: Es gibt kein Recht auf Billigfleisch“, sagte Schröder. Baumann unterstützte die Überlegungen nach einer Tierwohlprämie. „Wir haben die Prüfung einer Tierwohlprämie in den Schweinehaltungskompromiss hineinverhandelt“, sagte Baumann und ergänzte: „Es ist wichtig, dass die regionale tierschutzgerechte Tierhaltung auch in Baden-Württemberg eine gute Zukunft hat.“