„Kein Job wie jeder andere.“ Dr. Andre Baumann informiert sich beim Caritasverband für den Rhein-Neckar-Kreis e.V. über die Hilfsangebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Große Herausforderungen durch die Corona-Pandemie und gesetzliche Änderungen.

Anlässlich der Woche der seelischen Gesundheit besuchte der Landtagsabgeordnete der Grünen, Dr. Andre Baumann, den Caritasverband für den Rhein-Neckar-Kreis in Schwetzingen, um sich über die Angebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen und über die Herausforderungen in der Corona-Pandemie zu informieren. Herzlich begrüßt wurde Baumann von Bernadette Kinbacher, Leiterin des Referats Eingliederung und Rehabilitation, und Tanja Will vom Sozialpsychiatrischen Dienst des Verbands.

Bild: Dr. Andre Baumann informiert sich bei Bernadette Kinbacher über die Angebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen

Kinbacher stellte die verschiedenen Angebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen vor: Von niederschwelligen Beratungsangeboten über betreute Wohnplätze bis zu Arbeits- und Beschäftigungsangeboten und der Angehörigengruppe, die In Kooperation mit dem Zentrum für psychische Gesundheit Schwetzingen erbracht wird, reicht die Angebotspalette des Caritasverbands.

„Beim Angebot der Angehörigengruppe geht es auch darum, voneinander zu lernen. Es hilft bereits zu wissen, dass andere die gleichen Probleme haben und man nicht alleine damit ist“, erklärte Kinbacher. Tanja Will berichtete, dass ihre Beratung von ganz unterschiedlichen Personengruppen nachgefragt wird. In erster Linie seien es natürlich die betroffenen Menschen selbst, die nach Unterstützung fragen. „Bei uns melden sich aber zum Beispiel auch Bürgermeister oder Arbeitgeber und erkundigen sich, wie sie mit dem Thema psychische Erkrankung umgehen sollen.“ 

„Welche Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie auf Ihre Arbeit?“, erkundigte sich Baumann. Kinbacher antwortete, dass es den Betroffenen zu Beginn der Pandemie beispielsweise an Schutzmaterial gefehlt habe – Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen im ambulanten Bereich wurden von der Politik einfach vergessen. Aber das sei erst der Anfang gewesen: „Die Corona-Regelungen bedeuteten für uns auch, dass wir unsere Angebote nicht wie gewohnt durchführen konnten, was uns vor große Probleme stellte. Unsere Angebote leben von der Niedrigschwelligkeit, also davon, dass man einfach vorbeikommen kann. Das war aber gerade in dieser Zeit nicht möglich“, erklärte Kinbacher.

„Es kamen zum Beispiel weniger Menschen in unsere Tagesstruktur. Wo es vorher regelmäßig um die 20 Teilnehmenden waren, kamen an manchen Tagen nur vereinzelte Menschen.“ Gründe dafür waren unter anderem die Angst, sich anzustecken und die umfangreichen Hygienemaßnahmen. Auch bei der Impfpriorisierung seien Menschen mit psychischen Erkrankungen erst spät drangekommen, was dazu geführt habe, dass sich die Menschen lange in ihre Wohnung zurückzogen. „Teilweise kam es zu erheblichen Rückschritten, weil die sozialen Kontakte gefehlt haben und die Menschen isoliert waren. Das haben wir versucht, durch Einzelkontakte abzufangen und das ist uns auch in vielen Fällen gelungen. Aber eben nicht in allen Fällen“, erklärten Will und Kinbacher.

Corona ist allerdings nicht die einzige Herausforderung, der sich die Mitarbeitenden des Caritasverbands stellen müssen. Es sind auch veränderte Finanzierungsstrukturen, auf die Antworten gefunden werden müssen. Das betrifft zum einen die Leistungen der Krankenkassen. Aber vielmehr noch sei die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes ein großes und heiß diskutiertes Thema. „Eigentlich sind diese Reformen eine gute Sache“, erklärte Bernadette Kinbacher. „Denn dadurch sollen viele Leistungen nicht mehr pauschal vergütet werden, sondern individuell auf den Bedarf der Menschen zugeschnitten werden“. Im Umsetzungsprozess knirsche es aber noch gewaltig, weil viele Regelungen auf Landesebene abgestimmt werden müssen und einen großen Interpretationsspielraum für die Stadt- und Landkreise ließen. „Das führt dann beispielsweise dazu, dass sich die Leistungen verschiedener Leistungsträger unterscheiden“, erklärte Kinbacher.

Und noch zwei weitere wichtige Themen gab sie dem Abgeordneten mit: „Viele unserer Klientinnen und Klienten können es sich schlicht nicht leisten, unsere Beratungsangebote aufzusuchen, weil sie sich zum Beispiel die Fahrt mit Bus und Bahn nicht leisten können. Ein Sozialticket, wie es immer mal wieder gefordert wird, fand bisher nicht die notwendige Mehrheit im Kreistag. Und durch die steigenden Mietpreise in der Region haben viele Menschen neben ihrer Erkrankung noch ein weiteres existenzielles Problem.“ Baumann versprach, bei diesen Themen nachzuhaken.

Andre Baumann war beeindruckt von den umfangreichen Leistungen. „Die Arbeit mit Menschen ist kein Job wie jeder andere“, weiß er aus eigener Erfahrung. In seiner Zeit beim NABU hat er unter anderem sozial-ökologische Pflegetrupps aufgebaut und betreut, die sich um Naturschutzmaßnahmen kümmerten. „Da waren auch Menschen mit Handicaps dabei; und man lebt und arbeitet dann eben mit Menschen, die ihre großen und kleinen Probleme haben. Mit der richtigen Einstellung und Unterstützung klappt das aber sehr gut“, sagte Baumann. „Es braucht eben nur Personen, die sich dann auch darum kümmern. Wenn ich daran zurückdenke, war das eine schöne und anstrengende Zeit in meinem Leben. Die hat mich sehr geprägt.“ Und alle drei waren sich einig, dass es für psychisch erkrankte Menschen mehr geeignete und bessere Möglichkeiten geben muss, etwas Sinnvolles und Sinnstiftendes zu tun. „Zum Beispiel im Naturschutz“, meinte Baumann.

Zum Schluss erkundigte sich Baumann noch nach den Arbeitsbedingungen und den Kolleginnen und Kollegen, die täglich im Einsatz sind. „Supervision, kollegiale Fallberatung und Teambesprechungen sind zum Beispiel eine wichtige Unterstützung für unsere Mitarbeitenden“, berichtete Kinbacher. Und die Arbeit sei natürlich sinnvoll und abwechslungsreich. Aber das reiche nicht aus, um immer das geeignete Fachpersonal zu finden. Die Suche nach Fachkräften sei seit längerem eine große Herausforderung für die sozialen Dienstleister. „Ich wünsche mir, dass sich mehr junge Menschen für soziale Berufe entscheiden“, erklärte Baumann. „Aber dafür müssen wir auch die Arbeitsbedingungen verbessern und für eine angemessene Vergütung sorgen. Klatschen alleine reicht da nämlich nicht.“