Am 3. Dezember ist der Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen. „Corona hat leider dafür gesorgt, dass die Inklusion rückläufig ist“, meint Landtagsabgeordneter Dr. Andre Baumann. Gemeinsames Handeln für mehr Teilhabe und Selbstbestimmung nötig.

Die Corona-Pandemie hat die gesamte Gesellschaft hart getroffen. Überdurchschnittlich häufig aber sind Menschen mit Behinderungen von der aktuellen Krisenlage betroffen. So kommt das aktuelle Inklusionsbarometer Arbeit zu dem Ergebnis, dass die Beschäftigungszahlen von Menschen mit Behinderungen im vergangenen Jahr auf das Niveau des Jahres 2016 zurückgefallen sind. Dies sei der Studie zufolge nicht maßgeblich Kündigungen, sondern vor allem nicht stattgefundenen Neueinstellungen und nicht durchgeführten Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen geschuldet.

„Der Rhein-Neckar-Kreis, in dem auch mein Wahlkreis liegt, hat von allen Stadt- und Landkreisen in Baden-Württemberg die zweithöchste Schwerbehindertenquote“, erklärt Dr. Andre Baumann. Insgesamt haben von den etwa 550.000 Bürgerinnen und Bürgern rund 70.000 Personen einen Schwerbehindertenausweis. „Oft sind Menschen mit Behinderungen von Benachteiligungen betroffen, wie man zum Beispiel an den Arbeitsmarktzahlen sehen kann.“ Darum seien Anreize und Unterstützungsangebote für Arbeitgeber so wichtig. „Menschen mit Behinderungen können ebenso gut in ihrem Beruf arbeiten, wie Menschen ohne Handicap. Das muss aber leider erst noch bei allen Arbeitgebern ankommen.“ Aber es gebe erfreulicherweise Arbeitgeber, die mit gutem Beispiel vorangingen: „Ich freue mich sehr, dass erst vor zwei Wochen die Gemeinde Oftersheim als besonders behindertenfreundlicher Arbeitgeber vom Kommunalverband für Jugend- und Soziales ausgezeichnet wurde. Als einer von vier Arbeitgebern in ganz Baden-Württemberg“, so Baumann. Der Kommunalverband unterstützt unter anderem mit seinem Integrationsfachdienst die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Finanziert werden diese Maßnahmen hauptsächlich durch die Ausgleichsabgabe, die Firmen bezahlen müssen, wenn Sie nicht die vom Gesetz geforderte Anzahl von Menschen mit Behinderungen anstellen.

„Wir konnten gerade in der Pandemie an vielen Beispielen sehen, dass die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen noch nicht ausreichend verwirklicht ist“, bedauert Baumann. „Wir müssen alles dafür tun, dass besonders benachteiligte Gruppen gut durch die Pandemie kommen. Und dazu ist es wichtig, dass sie beteiligt werden“, meint Landtagsabgeordneter Dr. Andre Baumann. „Und das geht nur, wenn sie sich auch ausreichend informieren und an Entscheidungen teilhaben können.“ Ein besonders wichtiges Thema ist dabei die digitale Barrierefreiheit und die Barrierefreiheit von Informationen allgemein. „Wir haben erleben müssen, dass digitale Ticketbuchungen, Kontaktnachverfolgungen nicht barrierefrei programmiert waren. Auch viele Homepages sind nicht barrierefrei. Damit sind Informationen für viele Menschen nicht verfügbar. Ein weiteres Beispiel ist das Fehlen von Gebärdensprache, sodass es am Anfang der Pandemie kaum Informationen für gehörlose Menschen gab.“, berichtet Baumann. „Das wurde bereits im Laufe der Zeit besser, aber wir müssen es schaffen, dass in Zukunft wirklich alle Angebote für alle Menschen zugänglich sind. Durch eine einfache Bedienung digitaler Angebote, durch Gebärdensprache und Leichte Sprache“.

Ein weiteres wichtiges Thema ist das barrierefreie Bauen und die barrierefreie Mobilität. „Wir benötigen wesentlich mehr altersgerechten und barrierefreien Wohnraum. Alleine schon, weil die Menschen immer älter werden und dennoch ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden haben. Und sie sollten gut mobil sein. Auf den Gehwegen in der Gemeinde genauso wie mit Bus und Bahn.“ Um die Barrierefreiheit in allen Bereichen weiter auszubauen und alle Verantwortlichen dabei zu unterstützen, baut das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration zurzeit das Landeskompetenzzentrum Barrierefreiheit auf, das im Laufe des kommenden Jahres seinen Betrieb aufnehmen wird. Außerdem fördert das Ministerium zahlreiche wegweisende Projekte, zum Beispiel durch das Förderprogramm „Impulse Inklusion“. Auch die kommunalen Beauftragten der Belange von Menschen mit Behinderungen in den 44 Stadt- und Landkreisen sind eine wichtige Institution, um Inklusion und Barrierefreiheit weiter voranzubringen.

Trotz aller Bemühungen sei Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen aber längst noch kein Selbstläufer. „Die Pandemie hat deutlich gezeigt, was bereits vorher der Fall war: Dass Menschen mit Behinderungen von Diskriminierungen und Anfeindungen betroffen sind und dass wir in vielen Bereichen noch viel mehr an die Barrierefreiheit und die spezifischen Lebenssituationen von Menschen mit Behinderungen denken müssen“, so Baumann.

So müssen zum Beispiel im Bereich der schulischen Inklusion große Weichen gestellt werden, damit gemeinsames Lernen gut gelingen kann. „Im Moment befinden wir uns ebenfalls im großen Prozess der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, das Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmteres Leben ermöglichen soll. Das muss gut umgesetzt werden. Und auch der Gewaltschutz für Menschen mit Behinderungen ist ein wichtiges Thema – denn Menschen mit Behinderungen, insbesondere Frauen und Mädchen – sind überdurchschnittlich von Gewalt betroffen.“

Es gibt also noch viel zu tun auf dem Weg zu einer barrierefreien und inklusiven Gesellschaft. „Politik und Verwaltung, Bürgerinnen und Bürger, wir alle sind als Gesellschaft gefragt, gemeinsam im Land und vor Ort Inklusion und Barrierefreiheit voranzubringen. Und zwar zusammen mit den Menschen mit Behinderungen, die nun mal die Experten für ihr eigenes Leben sind“, erläutert Andre Baumann. „Denn nur gemeinsam können wir es schaffen, das Menschenrecht auf Teilhabe umzusetzen, wie es in der UN-Behindertenrechtskonvention geschrieben steht und der Deutschland bereits 2009 beigetreten ist.“

Hintergrund:

Der Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember jedes Jahres (veraltend: Internationaler Tag der Behinderten) ist ein von den Vereinten Nationen ausgerufener Gedenk- und Aktionstag, der das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Probleme von Menschen mit Behinderung wachhalten und den Einsatz für die Würde, Rechte und das Wohlergehen dieser Menschen fördern soll.