Der Europäische Protesttag der Menschen mit Behinderungen am 5. Mai steht dieses Mal unter dem Motto: „Die Zukunft ist barrierefrei“
„Barrierefreiheit ist Menschenrecht. Und viel mehr als nur Rampen für Menschen, die einen Rollstuhl benutzen“, erklärt der Landtagsabgeordnete der Grünen, Dr. Andre Baumann, zum Europäischen Protesttag der Menschen mit Behinderungen. Behinderungen können ganz unterschiedliche Ursachen und Erscheinungsformen haben. Eines aber ist klar: Wenn die Umwelt nicht barrierefrei ist, dann haben es Menschen mit Behinderungen schwer. „Gehörlose Menschen benötigen Gebärdensprache. Menschen mit Sehbeeinträchtigungen benötigen Leitsysteme und akustische Hinweise. Menschen im Rollstuhl benötigen breite und freie Gehwege“, sagt Baumann.
Aktuell stehen wir vor großen Herausforderungen: Klimawandel, Digitalisierung oder Energiewende. Da die Infrastruktur vielfach überaltert ist, muss neu gebaut und gedacht werden. Das ist eine Chance für den Abbau der häufig fehlenden Barrierefreiheit. Denn diese ist die Voraussetzung für eine gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen und ein wichtiger Beitrag zur Zukunftsfähigkeit einer vielfältigen Gesellschaft. Eine Welt ohne Barrieren ist für alle Menschen – insbesondere aber auch für Menschen mit Behinderung, ältere Menschen, Eltern mit Kinderwagen oder Menschen ohne vertiefte Sprachkenntnisse – zugänglicher und lebenswerter.
Denn es ist bekannt, dass eine barrierefrei zugängliche Umwelt für etwa zehn Prozent der Bevölkerung zwingend erforderlich ist, für etwa 30 bis 40 Prozent ist sie notwendig. Für alle aber ist sie komfortabel. Zum Beispiel, wenn alle unabhängig von ihrer Größe den Fahrplan an der Bushaltestelle lesen können. Wenn Informationen für alle verständlich sind, unabhängig von einer Hör- oder Sehbeeinträchtigung oder Sprachkenntnissen, wenn Angebote so geplant werden, dass sie von allen Menschen unabhängig von ihrer Behinderung, ihres Alters oder ihres sozialen Hintergrunds genutzt werden können.
Gerade im Bereich des barrierefreien Bauens und Wohnens sieht Baumann großen Handlungsbedarf: „Überall fehlen barrierefreie bezahlbare Wohnungen. Das muss sich ändern, denn Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen haben ein Recht darauf, selbstbestimmt mitten in der Gesellschaft zu leben.“ Dazu bedarf es aber mehr als nur barrierefreier Inseln. „Wir benötigen lebendige Orte, in denen Geschäfte, Gesundheitsdienstleistungen und vieles mehr gut erreichbar sind. Orte, in denen Begegnungen stattfinden und Hürden gemeinsam abgebaut werden“, so Baumann.
Den Städten und Gemeinden kommt dabei eine besonders wichtige Aufgabe zu. „Hier leben die Menschen und hier brauchen sie eine barrierefreie Infrastruktur. Sie benötigen inklusives Denken und Handeln auf allen Ebenen“, meint Baumann und fordert, dass Menschen mit Behinderungen und ihre Vertretungen bei allen Entscheidungen mit eingebunden werden, damit ihre Bedürfnisse von Anfang an berücksichtigt werden. Zu diesem Zwecke werden die kommunalen Behindertenbeauftragten in Baden-Württemberg dauerhaft vom Land gefördert. „Diese müssen per Gesetz bei allen Entscheidungen der Landkreise, Städte und Gemeinden beteiligt werden, sofern die Belange von Menschen mit Behinderungen betroffen sind“, erklärt Baumann. So profitieren alle: Denn wenn man Barrierefreiheit von Anfang an mitdenkt, dann wird es kaum teurer und die Selbstbestimmung und Teilhabe von allen Menschen in der Gemeinde wird gestärkt. „Und darum muss es ja letztendlich gehen: Die Städte und Gemeinden zu einem attraktiven Ort für alle zu machen und den Anspruch der Barrierefreiheit als Menschenrecht einzulösen.“
Hürden können aber auch ganz anderer Art sein: Wenn Menschen mit Behinderungen keine Informationen bekommen, welche Unterstützung ihnen für ein selbstbestimmtes Leben zusteht oder nicht wissen, an wen sie sich bei Problemen wenden können. „In meinem Wahlkreisbüro bieten wir Beratung und Unterstützung an. Patrick Alberti ist ehemalige beauftragte Person für die Belange von Menschen mit Behinderungen im Rhein-Neckar-Kreis und berät gerne zu allen Fragen rund ums Thema Behinderung und anderen sozialen Fragestellungen an“, erklärt Baumann.
Hintergrund:
Der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung findet am 5 Mai 2020 statt. 1992 wurde der Aktionstag von den Interessenvertretungen Selbstbestimmt Leben Deutschland (ISL) ins Leben gerufen und findet jedes Jahr statt. Dabei ist das Ziel, Grundlagen für eine Gleichstellung behinderter Menschen zu schaffen. Der Tag wurde auf den 5. Mai gelegt, da an diesem Tag auch der Europatag des Europarates ist. Denn alle Menschen sollen europaweit gleichgestellt sein.