Landtagsabgeordneter Dr. Andre Baumann hatte zu einer Exkursion zur Süddeutschen Erdgasleitung (SEL) eingeladen
Der Standort am Gelände des Bogensportclubs Heidelberg in Eppelheim war optimal gewählt. Zwar konnte man den zukünftigen Trassenverlauf der Süddeutschen Erdgasleitung (SEL) nur erahnen, denn sie wird sich zwar an den Wegen zwischen Grenzhof und Heidelberg orientieren, im Bau befindet sie sich aber noch nicht. Dafür war hier an den neuen Strommasten zu sehen, dass die Stromnetzverstärkung durch ULTRANET in vollem Gang ist.
Zu ULTRANET hatte Dr. Andre Baumann, der Landtagsabgeordnete der Grünen, bereits eine gut besuchte Exkursion angeboten. Diesmal sollte es um die Pipeline gehen, die hier entstehen soll: „Anhand des Verlaufs der ULTRANET-Trasse und der SEL sehen wir, wie Energiewende im Netzausbau stattfindet“, so Baumann, der den momentan rasanten Ausbau erneuerbarer Energien begrüßt. „Die SEL ist die erste Wasserstoff-Pipeline mit Anbindung an die europäischen Transportrouten in Baden-Württemberg – sie ist damit Teil eines neuen bundesweiten Netzwerks für den Wasserstofftransport“, erklärte Marcella Kugler von terranets bw, die gemeinsam mit Steffen Kirsch, Mitarbeiter im Fachgebiet Energiepolitik und Wasserstoffkoordination, und Projektleiterin Eva Dickfeld zur Exkursion angereist war.
„Windenergieanlagen und Photovoltaik werden uns nachhaltige Energie liefern“, erklärte Baumann. Und damit der Windstrom aus dem Norden auch in Süddeutschland ankomme, brauche es eben den Ausbau der Stromtrassen. „Aber auch dann können wir unseren Energiebedarf in näherer Zeit nicht vollständig decken“, gab der Abgeordnete zu bedenken. Wenn der Wind nur mäßig weht und die Sonne im Winter wenig Energie liefert, kann es passieren, dass kurzfristig zu wenig Energie geliefert wird. „Da brauchen wir Gaskraftwerke, die innerhalb von Sekunden anspringen“, berichtete Baumann. Darum gibt es auch eine Kraftwerksstrategie des Bundes, von der ein Ausbau der erneuerbaren Energien flankiert wird. Diese Kraftwerke werden zuerst durch Erdgas, später mit Wasserstoff (H2) gespeist. Beides soll nacheinander durch die SEL nach Süddeutschland gelangen. Deshalb wird der Bau der SEL auch jetzt schon H2-ready umgesetzt. „Erdgas ist ein fossiler Energieträger, aber dennoch klimaschonender als Kohle und damit klima- und energiepolitisch hoch sinnvoll“, so Baumann. „H2-Produktion funktioniert überall dort, wo wir ein Überangebot an Strom haben, zum Beispiel in den Windparks in Norddeutschland.“
Die Frage des Transports von Wasserstoff beschäftigt gerade viele Menschen, denn klar ist, dass nicht nur Kraftwerke die Moleküle benötigen, sondern vor allem die Industrie. „Wir prüfen natürlich auch andere Verfahren, um Wasserstoff zu transportieren, zum Beispiel die sinnvolle Umwandlung in Ammoniak oder Ameisensäure. Aber das einfachste und günstigste Transportmittel ist die Pipeline“, so Baumann. „Geplant wurde die SEL noch in der alten Energiewelt zum Transport von Erdgas. Jetzt wird sie zur Wegbereiterin der Energiewende“, freute sich Baumann.
terranets bw ist Bauherrin und – nach dem Bau – auch Betreiberin der neuen Pipeline, berichtete Marcella Kugler. „Wir sind Fernleitungsdienstleister mit einem Gesamtnetz von circa 2750 Kilometern. Dafür nehmen wir unseren gesetzlichen Versorgungsauftrag wahr und sorgen in Baden-Württemberg und Hessen für Energie rund um die Uhr“, berichtete Kugler. Zudem werden bei allen Neubauprojekten Glasfaserkabel parallel zur Trasse verlegt.
Zuerst wird Erdgas transportiert werden, dann Wasserstoff
Die 250 Kilometer lange SEL wird in Abschnitten realisiert, abhängig von der konkreten Entwicklung des Gas- und Wasserstoffbedarfs. Sie reicht von Lampertheim an der hessischen Grenze bis nach Bissingen an der Grenze zu Bayern und führt durch die Region Rhein-Neckar und den Großraum Stuttgart.
„Raus aus der Kohle, hin zu Gaskraftwerken“, lautet das Motto. Denn die Anwesenden waren sich einig, dass der Ausstieg aus der Kohle bis zum Jahr 2030 mittels Brückentechnologien gestemmt werden muss. Zuerst mit Erdgas und dann mittels eines Fuel-Switch auf Wasserstoff. Dafür setzt terranets bw alle Ausbaumaßnahmen wasserstofftauglich um. „Die SEL ist H2-ready, das heißt, für alle verbauten Elemente haben wir ein Zertifikat, die ihre Dichtheit für den Wasserstofftransport bestätigen“, berichtete SEL-Projektleiterin Eva Dickfeld. Und Steffen Kirsch erklärte, wie die Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff funktionieren wird: „Wasserstoff wird einer der Bausteine sein, die wir für eine Umstellung auf klimafreundliche Energie und letztlich zur Erreichung unserer Klimaziele dringend benötigen.“
2026 soll Baubeginn für das Teilstück Grenzhof bis Hüffenhardt im Neckar-Odenwald-Kreis sein. Die gesamte SEL ist Teil eines bundespolitisch definierten Kernnetzes für den Wasserstofftransport und eines der großen Infrastrukturvorhaben zur Umsetzung der Energiewende. Trotz des politischen Willens benötigt ein solch großes Vorhaben einen mehrjährigen Vorlauf. Nach Abgabe des Antrags auf Planfeststellung wurde das Planfeststellungsverfahren im Spätsommer 2023 offiziell eröffnet. Dem ist eine intensive Suche nach einer idealen Trasse vorangegangen. Möglichst geradlinig sollte diese verlaufen und sich an bereits existierenden Strukturen, wie Wegen, Straßen und anderen Leitungen orientieren. Außerdem nahm terranets bw die Belange der betroffenen Menschen ernst und hat im Rahmen einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung auf zwölf Infomärkten mit insgesamt 400 Teilnehmenden über das Projekt berichtet und etwa 100 Hinweise aufgenommen – und wo möglich und sinnvoll – in die Trassenplanung aufgenommen.
Bevor der Bau startet, werden bauvorbereitende Maßnahmen durchgeführt. Dazu gehören unter anderem archäologische Untersuchungen oder der Wegerechtserwerb. „Auf den Feldern zwischen Grenzhof und Eppelheim wird eine Niederungsburg aus dem Mittelalter sowie eine provinzialrömische Siedlung im Baugebiet vermutet“, so Dickfeld.
Der Bau selbst starte im Frühjahr 2026, erklärte Eva Dickfeld: „Beim Bau wird eine etwa 34 Meter breite Trasse benötigt. Dafür wird zunächst der Oberboden abgetragen. Dann werden die Rohre entlang der Trasse verschweißt und nach erfolgreich abgeschlossener Prüfung der Schweißarbeiten in einen etwa 2,5 Meter tiefen Rohrgraben eingebracht. Anschließend wird der Rohrgraben wieder aufgefüllt und der Oberboden aufgetragen. Nach dem Bau werden alle Flächen, die für den Bau der SEL benötigt werden, rekultiviert und wiederhergestellt.“ Am Ende sollen die Rohre in einer Tiefe von 120 bis 150 Zentimetern liegen.
Auch der Boden ist wertvoll, deshalb begleiten Bodenschützer das Projekt, damit die landwirtschaftlich genutzten Flächen am Ende genauso wiederhergestellt werden, wie sie vorher waren. Auch beim Naturschutz werden hohe Maßstäbe angewandt. Vor dem Bau werden geschützte Tiere kartiert, zudem wird jede einzelne Umweltmaßnahme überwacht und so umweltverträglich wie möglich umgesetzt.
Wenn im Jahr 2026 dann zwischen Grenzhof, Eppelheim und Heidelberg die Baumaschinen ihre Arbeit aufnehmen, werden diese ungefähr 300 Meter Pipeline pro Tag verlegen. Hier wird auf jedes Detail geachtet. „Jede Schweißnaht wird einzeln geprüft und abgenommen“, erklärte Eva Dickfeld. Auch der Boden wird sorgsam in seinen verschiedenen Schichten abgetragen, gelagert und wieder sorgsam aufgeschichtet. Und am Ende wird man bis auf die gelben Pfosten mit den roten Dächern nicht mehr erkennen, dass hier überhaupt eine Leitung liegt. „Ich freue mich, dass man die Planung aus der alten Welt in die neue Welt umnutzen kann“, so Baumann, der den Mitarbeitenden von terranets bw und allen Bürgerinnen und Bürgern dankte, die an der Exkursion teilgenommen hatten. „Die Wasserstoffleitung vereint Klimaschutz und Wirtschaft. Eine sichere Versorgung mit Wasserstoff ist die Grundlage für eine starke und zukunftsfähige Wirtschaft und eine Erhaltung unseres Wohlstands.“