„Enderle würde seinen Auenwald nicht mehr wiedererkennen. Er würde gegen die Obrigkeit aufbegehren“, sagt Dr. Andre Baumann, Landtagsabgeordneter der Grünen. Zusammen mit Günther Martin und Nikolaus Eberhardt von den Grünen in Ketsch hat Baumann die jüngsten Hiebsmaßnahmen im Naturschutzgebiet „Ketscher Rheininsel“ begutachtet. In den vergangenen Wochen sind bei den Grünen in Ketsch und im Wahlkreisbüro des Landtagsabgeordneten zahlreiche Beschwerden entsetzter Bürgerinnen und Bürger eingegangen, die große Kahlhiebe und das Roden alter Eschen kritisiert haben. „Die Rheininsel ist Staatswald, Naturschutzgebiet und gehört zum europäischen Naturerbe Natura 2000. Da kann und muss man einen vorbildlichen Waldbau erwarten“, erklärt Baumann.

Entlang der Ketscher Allee liegen gestapelt hunderte frisch gefällte Baumstämme. Günther Martin, Gemeinderat der Grünen, ist verärgert: „Alle alten Bäume wurden auf großer Fläche abgehauen. Jetzt sind nur noch junge Bäume übrig. Wald kann man das doch nicht mehr nennen.“ Martin berichtet von Aussagen, dass ForstBW den Wald in einen Hochleistungswald umwandeln wolle. „Ich will hier keinen Hochleistungswald in unserem Rheinwald. Ich will hier intakte Natur.“ Dem stimmt Nikolaus Eberhardt zu: „Ich bekomme regelmäßig den Unmut der Besucher der Rheininsel mit. Im Naturschutzgebiet ist selbst das Pflücken eines Bärlauchsträußchen verboten und der Forst arbeitet wie die Axt im Walde – das versteht niemand.“ Eberhardt ist Vorsitzender des Grünen Ortsverbands Ketsch und er dokumentiert seit vielen Jahren ehrenamtlich den Zustand der Natur auf der Ketscher Rheininsel.
ForstBW begründet die Hiebsmaßnahmen mit dem so genannten Eschentriebsterben. Seit Jahren befällt der aus Ostasien eingeschleppte Pilz Hymenoscyphus fraxinus die Eschenbestände in Deutschland. Eschen sind die häufigste Baumart in den Auenwäldern der Hartholzaue, die bei Hochwasserereignissen nur wenige Tage überschwemmt wird. In diesen Wäldern sind Eschen mit Stieleichen und Ulmen vergesellschaftet. „Es ist klar, dass ForstBW reagieren muss. Es ist klar, dass Eschen gefällt und genutzt werden, bevor sie wegen des Pilzes absterben. Das ist ökologisch und ökonomisch richtig. Darum geht’s aber nicht. Ein paar schöne, alte Bäume hätten in den Waldbereichen stehen bleiben müssen. Was wir hier sehen, ist Waldbau des letzten Jahrhunderts. So viel Geld geht da nicht verloren, wenn für Spaziergänger und Spechte ein paar schöne, alte Bäume stehen bleiben“, erklärt Baumann. Baumann hatte vor dreißig Jahren die NABU-Gruppe Schwetzingen mitbegründet, war Lehrbeauftragter für Naturschutz an der Hochschule für Forstwissenschaften in Rottenburg und ist aktuell als Staatssekretär des Umweltministeriums Mitglied des Aufsichtsrats von ForstBW.
Die drei Politiker kommen bei ihrer Wanderung auch an einem jungen Kahlhieb an, der von einem Holzzaun umgeben ist. Wurzelwerk ist zu Dämmen zusammengeschoben. Baumann vermutet, dass hier sehr wahrscheinlich ein neuer Eichenwald aufgebaut und vor Wildverbiss geschützt werden soll. „Die Stieleiche ist eine Lichtbaumart. Junge Eichen brauchen bei Keimung und in der Jugendphase Licht und keinen schattigen Wald. Ich bin ja dankbar, dass ForstBW Eichen fördert. Aber auch hier fehlt Maß und Mitte. So große Kahlschläge passen nicht in ein Naturschutzgebiet. Solche Kahlschläge haben mit einem modernen Waldbau wenig zu tun“, sagt Baumann. Eberhardt beschreibt die Situation drastisch: „Im Sommer brennt hier dann die Sonne auf den Boden, da ist kein Schatten, der den Boden kühlt. Ein kühles Waldklima gibt’s nicht mehr.“ Und noch ein weiterer Aspekt ist Eberhardt wichtig: „Nur auf einem gesunden Boden können gesunde Bäume wachen und alt werden. Dazu muss der Boden belüftet, feucht und kühl sein.“ Aber diese Faktoren seien nach dem Kahlschlag nicht mehr gewährleistet. Denn die Austrocknung durch die zunehmende Hitze, die mangelnde Verschattung sowie die Verdichtung des Bodens durch große Maschinen sorgen dafür, dass die Bedingungen für die Bäume wesentlich härter werden.
Aus Sicht der drei Naturfreunde sei es sinnvoll, deutlich kleinere Hiebe in den Wald zu schlagen, um Eichenwälder aufzubauen. „Alles, was extrem ist, ist abzulehnen. In der Politik und auch im Waldbau. Und das ist schon ein extrem großes Loch im Wald“, so Martin. Die drei sind sich einig, dass im Ketscher Rheinwald der Naturschutz und die Erholung Vorrang vor Waldwirtschaft haben müsse: „Wir fordern die Ausweisung eines Waldschutzgebiets mit Bann- und Schonwaldbereichen auf der Ketscher Rheininsel wie sie bereits in der Schwetzinger Hardt existieren.“ In Bannwäldern dürfe Natur Natur sein und Wald sich frei entwickeln, in Schonwäldern habe der Naturschutz Vorrang vor wirtschaftlichen Erwägungen. Die Grünen Ketsch und Baumann fordern einen besseren Schutz der Ketscher Rheininsel.