Pressemitteilung vom 11.12.2020

Wie sieht modernes und nachhaltiges Bauen aus und ein Quartier der Zukunft? Wie kann genügend bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden? Zu einer Online-Veranstaltung „Wohnen darf kein Luxus sein“ hatte der Landtagskandidat der Grünen, Dr. Andre Baumann, den bau- und wohnungspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen, Chris Kühn MdB, eingeladen. An der Veranstaltung nahmen zahlreiche Gemeinderätinnen und Gemeinderäte aus der Umgebung teil. Kühn und Baumann stellten die Dramatik beim Rückgang des bezahlbaren Wohnraums und wichtige Erfolge der grün-geführten Landesregierung dar. Zudem brauchen wir eine neue Baukultur. „Wir brauchen eine modere, nachhaltige Baukultur für attraktive Städte und Gemeinden. Bund, Land und Kommunen müssen an einem Strang in dieselbe Richtung ziehen“, sagte Baumann.

In seiner Begrüßung stellte Andre Baumann die Bedeutung einer nachhaltigen Wohnungs- und Baupolitik vor. „Obwohl in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten bei uns in der Region viel gebaut wurde, steigen und steigen die Mieten. Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum“, sagte Baumann. Baumann plädierte für eine moderne, nachhaltige Baukultur. „Nachhaltig heißt: Ökonomie, Soziales und Ökologie kommen zusammen.“ Er plädierte für Nachverdichtungen des Innenbereichs, insbesondere der alten Ortskerne. „Die historischen Ortskerne gilt es wieder von reinen Schlafstätten zu den pulsierenden Herzen zu entwickeln. Unseren Siedlungen sollten in die Höhe statt in die Breite wachsen“, sagte Baumann. Er führte aus, dass die grün-geführte Landesregierung die Weichen dazu gestellt habe. Allerdings sei die Bauleitplanung originäre Aufgabe der Kommunen. „Das Land spannt den Rahmen auf, stellt Pinsel und Farben, aber die Gemeinderäte müssen den Rahmen ausfüllen“, so Baumann. „Die grün-geführte Landesregierung hat die Landesbauordnung so geändert, dass es leichter wird, zusätzliche Geschosse auf bestehende Häuser aufzustocken und landwirtschaftliche Gebäude in attraktiven Wohnraum zu überführen“, erklärte er. Als einziges Bundesland habe Baden-Württemberg vom Recht Gebrauch gemacht, eine eigene Landesgrundsteuer einzuführen. Die für Baden-Württemberg eingeführte Regelung basiert im Wesentlichen auf zwei Werten: dem Bodenrichtwert und der Grundstücksfläche. In einem ersten Schritt werden Fläche und Bodenrichtwert miteinander multipliziert. Im zweiten Schritt wird bei überwiegend für Wohnzwecke genutzten Grundstücken in Zeiten angespannter Wohnungsmärkte ein Abschlag von 30 Prozent eingeplant. „Es zählt der Wert des Grundstücks. Unbebaute Grundstücke werden stärker belastet und eher für die Wohnbebauung genutzt“, erklärt Baumann. „Über Jahrzehnte brachliegende Enkel-Grundstücke im Innenbereichen werden so verstärkt einer Bebauung zugeführt.“ Kühn lobte ebenfalls diese Regelung als „einfach, gerecht und wirkungsvoll“. Baumann erläuterte, den ebenfalls bundesweit einmaligen Grundstückfonds Baden-Württemberg. „Klamme Kommunen können beim Land Gelder für den Zwischenerwerb von Grundstücken beantragen, um dort bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, sagte Baumann. Der Fonds sei mit 100 Mio. Euro ausgestattet worden. 

Der eingeladene Experte der grünen Bundestagsfraktion Chris Kühn stellte in seinem Vortrag dar, warum in den vergangenen Jahren bezahlbarer Wohnraum stark zurückgegangen ist. „Gerade nach der großen Finanzkrise gab es eine gewaltige Spekulation mit Immobilien und Boden“, stellte Kühn dar. „Weil es keine Zinsen gab und gibt, sucht das Geld Anlagemöglichkeiten.“ Außerdem fielen nach und nach Wohnungen aus der zeitlich befristeten Mietpreisbindung, neue Sozialwohnungen seien kaum entstanden. Kühn bewertete den Verkauf des LBBW-Wohnungsbestands von rund 20.000 Wohnungen unter dem früheren SPD-Wirtschaftsminister Nils Schmid als großen Fehler „Seit 1990 hat ist der Anteil von Sozialwohnungen in Deutschland um fast ein Drittel geschrumpft“, so Kühn. Baumann sprach hier von einem Marktversagen. „Angesichts dieses bundesweiten Abwärtstrends ist es ein Erfolg, dass die baden-württembergische Landesregierung im Land den Abwärtstrend gestoppt hat. Wir müssen nun die Trendumkehr schaffen“, so Kühn.

Kühn unterstützte das Ziel Baumanns, verstärkt in den Innenstädten neu und eher Geschosswohnungsbau zu bauen. „Wir müssen dem Donuteffekt entgegenwirken. Im alten Ortszentrum gibt’s Leerstände, da am Ortsrand Ein- und Zweifamilienhäuser wachsen“, so Kühn. „Wenn dann noch auf der grünen Wiese Einkaufsmärkte aus dem Boden sprießen, muss man sich nicht wundern, dass die Ortskerne veröden.“

Kühn berichtete von positiven Beispielen einer neuen Bau- und Siedlungskultur: In Tübingen und in Freiburg seien auf ehemaligen militärischen Flächen kompakte und hoch attraktive Mischgebiete entstanden. Wohnen und Arbeiten seien miteinander kombiniert worden. „Die modernen Konversionsflächen gehören aufgrund ihrer Durchmischung und Lebendigkeit zu den beliebtesten Wohnlagen“, sagte Kühn. Baumann berichtete, dass solche Siedlungen Vorbilder für Konversionsprojekte in Heidelberg, Schwetzingen und Mannheim seien. „Wichtig ist, dass auch energetisch hochwertig gebaut wird“, so Baumann. „Die neuen Stadtquartiere müssen klimaneutral werden. Das ist auch sozial sinnvoll. Entscheidend ist für die Mieterinnen und Mieter nicht die Kaltmiete, sondern die Warmmiete. Gut sanierte Niedrigenergiehäuser senken die Warmmiete. Soziale und ökologische Belange kommen zusammen“, so Baumann. „Wir brauchen Wohnraum, den sich Alleinerziehende, ein Masseur oder ältere Menschen leisten können. Menschen haben ein Recht auf Wohnen. Darum darf Wohnen kein Luxus sein.“ 

Kühn beantwortete am Ende der Veranstaltung zahlreiche Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. „Das Beste ist: Ich komme einfach im Frühling oder Sommer wieder, wenn wir die Corona-Pandemie bewältigt haben. Dann können wir uns gerne das eine oder andere geplante Konversionsprojekt anschauen“, so Kühn.