Zumeldung zur Landtagsdebatte anlässlich der Schließung der Bereitschaftspraxen in Baden-Württemberg
Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) strukturiert die Bereitschaftspraxen im Südwesten neu. Beim neuen Standortkonzept geht es auch um die stufenweise Schließung von 18 Bereitschaftspraxen, darunter auch die in Schwetzingen. Der Landtag beschäftigte sich am Mittwoch, 12. März, mit der beabsichtigten Strukturreform der Bereitschaftspraxen in Baden-Württemberg. „Ich stehe nach wie vor zum Standort Schwetzingen“, erklärt der Landtagsabgeordnete der Grünen, Dr. Andre Baumann. Dennoch kann Baumann die Entscheidung der KVBW verstehen, denn die Realitäten in der medizinischen Versorgung haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert. „Viele Ärztinnen und Ärzte sind nicht mehr wie früher in Vollzeit beschäftigt, sondern nur noch in Teilzeit“, so Baumann. Außerdem seien rund 1000 Arztsitze im Land nicht besetzt. In den nächsten zehn Jahren gehen die geburtenstärksten Jahrgänge der Ärzteschaft in den Ruhestand, was bedeutet, dass weniger Ärztinnen und Ärzte in Zukunft dafür sorgen müssen, dass die medizinische Versorgung im Land gesichert bleibt.
Vorausgegangen war der Entscheidung in diesem Zusammenhang die Entscheidung des Bundessozialgerichts, nach der Poolärzte, also solche, die nicht niedergelassen sind, sondern zum Beispiel im Krankenhaus arbeiten, bei Diensten in den Bereitschaftspraxen sozialversicherungspflichtig seien. Poolärzte übernahmen in Summe einen großen Teil der Dienste in den Bereitschaftspraxen. Daraufhin hatte die KVBW im vergangenen Jahr angekündigt, keine Poolärzte in den Notfallpraxen des ärztlichen Bereitschaftsdienstes mehr einzusetzen und den ärztlichen Bereitschaftsdienst neu konzeptionieren zu wollen. Eine Gesetzesinitiative der Bundesländer, die Poolärzte mit Notärzten gleichstellen wollten, wurde von der SPD im Bund blockiert. „Daher ist es verwunderlich, dass die SPD dieses Thema so politisiert und damit weitere Ängste schürt, statt Lauterbachs Gesundheitsministerium zu adressieren“, meint Baumann.
Dabei sind Politik und Landesverwaltung noch nicht mal die Hauptakteure bei dieser Entscheidung, denn grundsätzlich entscheidet die KVBW über die hausärztliche Versorgung außerhalb der Sprechstunden selbständig im Rahmen ihrer gesetzlichen Selbstverwaltung. „Das ist ihr gutes Recht. Das Land, namentlich das Sozialministerium, hat hier nur eine Rechtsaufsicht“, erklärt Baumann. Tatsächlich hat das Ministerium den Vorgang sorgfältig geprüft und hat keine Anhaltspunkte für Rechtsverstöße gefunden.
Baumann: „Wir brauchen gute Konzepte, wie wir mit weniger Ressourcen die gleiche Behandlungsqualität aufrechterhalten können“
Dass die Situation trotzdem mehr als ärgerlich sei, ist offensichtlich. „Ich verstehe die Sorgen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger und hätte mir gewünscht, dass die Bereitschaftspraxen erhalten blieben. Gesundheit ist für die Menschen ein wichtiges Thema“, so Baumann, der sich seit Bekanntwerden der Pläne für den Erhalt der Praxis in Schwetzingen eingesetzt hat. „Ich weiß, dass solche Umbrüche verunsichern. Aber die großen Veränderungen im Gesundheitswesen dürfen wir nicht ignorieren. Wir müssen uns zukunftsfähig aufstellen, wenn wir eine gute medizinische Versorgung für die Zukunft sichern wollen“, erklärt der Abgeordnete, der sich jedoch ein vollkommen anderes Vorgehen seitens der KVBW gewünscht hätte. „Wir brauchen gute Konzepte, wir brauchen Ideen, wie wir mit weniger Ressourcen die gleiche Behandlungsqualität aufrechterhalten können. Aber das geht nicht, indem man den zweiten Schritt vor dem ersten macht“, meint Baumann. Der hätte sich gewünscht, dass die alternativen Versorgungsstrukturen gestärkt würden, bevor die Standortdebatte eröffnet wird. „Wenn Alternativen da sind, zum Beispiel die 116 117 als zentrale Rufnummer gut funktioniert und mobilitätseingeschränkte Personen zuverlässige Fahrdienste zur nächsten Notfallpraxis bekommen, dann hätte man die Menschen besser von Reformen überzeugen können.“ Das gelte auch für den frühzeitigen Dialog mit den Städten und Gemeinden und natürlich mit den Bürgerinnen und Bürgern selbst, die man bei den Plänen hätte mitnehmen müssen.
„Wir Grünen haben zusammen mit der CDU einen Antrag auf den Weg gebracht, damit die Umstrukturierungen systematisch und effizient umgesetzt werden“, erklärt Baumann. Im Antrag der Regierungsparteien wird die KVBW unter anderem aufgefordert, schnell geeignete Strukturen zu schaffen, um die Kommunikation im Umstrukturierungsprozess zu verbessern. Ebenfalls soll das Angebot unter der 116 117 verlässlich ausgebaut werden und die Verzahnung verschiedener medizinischer Bereiche besser aufeinander abgestimmt werden. „Wir nehmen die KVBW beim Wort und werden scharf beobachten, ob die versprochenen Leistungen umgesetzt werden. Das bedeutet neben zuverlässiger Erreichbarkeit auch die zuverlässige Versorgung mit Fahrdiensten für mobilitätseingeschränkte Personen“, so Baumann.
Was bedeutet das nun für den Standort Schwetzingen? Für Baumann ist klar: „Ich stehe nach wie vor zum Standort Schwetzingen, auch weil hier die Voraussetzungen andere sind. Der Bereitschaftspraxis in Schwetzingen geht es gut. Sie hat kein Problem damit, Personal zu finden, denn viele niedergelassene Ärzte verrichten hier gerne ihren Dienst. Auch finanziell trägt sich die Praxis. Darum sehe ich keinerlei Grund, gerade diese gut funktionierende Praxis zu schließen, zumal eine Schließung auch keine Verbesserungen für andere Standorte bedeuten würde“, sagt Baumann, der auch weiterhin mit allen Akteuren im Gespräch bleibt, um die drohende Schließung am Standort Schwetzingen abzuwenden.