Rund 60 Personen nahmen an der Veranstaltung des Landtagsabgeordneten Dr. Andre Baumann zum Thema „Geothermie im Oberrheingraben“ teil.
„Es ist wichtiger denn je, dass wir uns von fossilen Energieträgern sowohl im Strom- als auch im Wärmebereich unabhängig machen. Die tiefe Erdwärme ist ein Baustein, um hunderttausende Menschen bei uns in der Region mit klimafreundlicher, preiswerter und versorgungssicherer Wärme zu versorgen“, sagte Dr. Andre Baumann. Der Landtagsabgeordnete der Grünen hatte zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung zur „Tiefen Geothermie in der Kurpfalz“ eingeladen und mehr als 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich in die Videokonferenz eingewählt. Sachliche Information zur Tiefen Erdwärme und Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern – das war das Ziel des Abends.
„Wir brauchen eine sichere Versorgung mit sauberer und bezahlbarer Wärme“, erklärte Baumann in seinem Einführungsvortrag. „Die Energie der Zukunft werde nicht mehr aus wenigen zentralen Kraftwerken kommen, sondern aus vielen kleinen: Solarthermie, also Sonnenkraft, Windkraft, Gas, Umweltwärme oder Wärme aus der Müllverbrennung seien hier einige Möglichkeiten einer solchen dezentralen Wärmeversorgung. „Wir müssen raus aus der Kohle – aber mittelfristig auch aus Gas und Öl. Dafür brauchen wir Alternativen. Ein klares Ziel müsse es darum sein, alternative Wärmequellen, für die rund 120.000 Menschen zu finden, die am Fernwärmenetz des Großkraftwerks Mannheim hingen.“ Aber diese Alternativen würden nicht alles ausgleichen können, was das große Kraftwerk in Mannheim schaffe. „Darum müssen wir auch Wärme sparen. Energetisch hochwertige Neubauten oder energetische Sanierungen von bestehenden Häusern sind sehr wichtig.“ Bei neuen Häusern könnten auch Wärmepumpen, als oberflächennahe Geothermie, für angenehme Wärme sorgen. Bei bestehenden Häusern gehe nicht so einfach. Hier sieht Baumann in der tiefen Erdwärme zusammen mit Fern- und Nahwärmenetzen große Chancen. „Insbesondere bei uns im Oberrheingraben finden wir dafür optimale Bedingungen. Eine oder zwei solcher Geothermieanlagen können eine ganze Gemeinde mit Wärme versorgen.“
Was aber ist eigentlich Geothermie? Was ist diese tiefe Erdwärme? „Grundsätzlich handelt es sich um zwei Bohrungen, die in unserer Region rund 2.000 bis 3.000 Meter in die Tiefe führen: Aus dem einen Bohrloch wird heißes Wasser gewonnen. Die Wärme wird dann durch einen Wärmetauscher entnommen und in ein Wärmenetz eingespeist. Anschließend wird das leicht abgekühlte Wasser durch das zweite Bohrloch wieder zurückgeführt. Das ist ein geschlossener Kreislauf“, erklärte der Energieexperte Baumann. „Mit Geothermie kann man auch Strom gewinnen. Bei uns steht aber eher die Wärmegewinnung im Vordergrund“, sagte Baumann. Und unsere Region sei einfach bestens dafür geeignet: In mehreren tausend Metern Tiefe gebe es heiße Thermalwässer, die für die Energiewende in der Kurpfalz genutzt werden könnten.
Eines müsse definitiv klar sein: Grundwasser dürfe in keiner Weise beeinträchtigt werden. „Grundwasser ist nach dem Wassergesetz des Landes und der Wasserrahmenrichtlinie der EU streng geschützt. Und das ist auch gut so.“ Zusätzlich sei der Betrieb eines Geothermiekraftwerks genehmigungspflichtig und setze vielfältige intensive geologische und hydrologische Untersuchungen voraus. „Im Oberrheingraben fließt parallel zum Rhein ein unterirdischer Fluss mit seiner ganz eigenen Lebenswelt.“ Der Schutz des oberflächennahen Grundwassers sei technisch gut machbar, da die Rohre mehrfach mit Beton ummantelt würden, damit keine Verschmutzung des Grundwassers stattfindet. „Wir können zum Mond fliegen – und wir können technisch auch Grundwasser gut und dauerhaft schützen“, so Baumann.
Aber wie sieht es denn mit der Kritik an der Geothermie aus? „Ich kann die Sorgen durchaus verstehen, denn es gibt das eine oder andere Projekt, das nicht optimal gelaufen ist“, gibt Baumann zu. Ein mögliches Problem könne die induzierte Seismizität‘ seine, also durch die Errichtung und den Betrieb eines Erdwärmekraftwerks verursachte Erdbeben. Baumann nimmt diese Sorgen ernst. „Bei uns gibt es im Oberrheingaben eine natürliche Seismizität. Die Erde ruckelt ab und zu, auch wenn man es nicht immer wahrnimmt. Aber wenn man es schlecht macht, dann kann es auch künstliche, induzierte Seismizizät geben.“ Wie zum Beispiel im elsässischen Vendenheim, wo bei einem Geothermieprojekt Wasser mit sehr großem Druck in das feste kristalline Gestein gepresst wurde. „Eine Lehre ist: Wir müssen mit geringem Druck arbeiten, wie beim Geothermiekraftwerk Bruchsal. Von dort geht keine induzierte Seismizität aus, die verwendeten Drücke und Durchlaufraten sind niedrig.“ So seien Schäden nahezu ausgeschlossen. „Man muss es richtig machen“, betonte Baumann mehr als einmal an diesem Abend.
Aber eine Frage beschäftigte die Teilnehmenden dennoch immer wieder: „Was ist, wenn doch etwas passiert?“ Baumann antwortete darauf, dass für die tiefe Geothermie das Bundesberggesetz Anwendung findet. Und da gilt das Prinzip der Beweislastumkehr: „Nicht der Hausbesitzer muss nachweisen, dass die Risse vom Kraftwerk kommen, sondern umgekehrt muss der Betreiber des Kraftwerks nachweisen, dass die Schäden nicht von seinem Kraftwerk kommen“.
In der anschließenden Diskussion ging es auch um die Versorgungssicherheit. Gerade durch den Krieg in der Ukraine diskutieren wir wieder darüber, wie wir unabhängiger von fossilen Energien und damit auch von anderen Ländern werden. „Wir brauchen in Zukunft eine Versorgung mit erneuerbarer, preiswerter und versorgungssicherer Wärme“, also das Gegenteil zu Kohle und Gas, die weder sauber noch besonders versorgungssicher seien.
Einige Teilnehmende äußerten sich skeptisch, ob alternative regenerative Energien wirklich ein Ersatz zu herkömmlichen Kraftwerken sein können. „Wie viele Geothermiekraftwerke muss man denn bauen, damit das Großkraftwerk Mannheim dadurch ersetzt werden kann?“, wollte ein Bürger wissen. „Die neue Energieversorgung müssen wir uns anders als in der Vergangenheit vorstellen. In der neuen Energiewelt haben wir eine dezentrale Landschaft. Beispielsweise Solarthermieanlagen, Abfallvergärungsanlagen, Blockheizkraftwerke, Umweltwärme, Müllverbrennungsanlagen, Wärme aus Industrieproduktion und einiges mehr. Das Tolle an Nahwärmenetzen ist, dass man dort vielfältige Wärmequellen einspeisen kann.“ Denn mit einer oder zwei Geothermieanlagen könne die Region die Energiewende nicht stemmen. Und Baumann geht noch weiter: „Wenn wir alle Energie ersetzen wollen würden, die wir jetzt verbrauchen, können wir das nicht schaffen. Darum müssen wir auch Energie sparen. Zum Beispiel neue Gebäude energieeffizient bauen und alte Gebäude sanieren.“
Auf die Frage, ob denn ein oder zwei Geothermiekraftwerke ausreichten, antwortete Baumann: „Ich bin mir nicht sicher, ob die reichen – ich würde mir wünschen, dass es mehr sind – aber eben sicher. Wir müssen an Schnelligkeit gewinnen. Wir haben zu lange geschlafen. Wir müssen die Genehmigungsverfahren beschleunigen, ohne den Umwelt- und Gewässerschutz zu vernachlässigen.“
Aber dafür brauche es eben auch den Rückhalt aus der Bevölkerung: „Wir brauchen positive Beispiele. Projekte, die gut funktionieren. Und wir brauchen die Gemeinden dazu, die aktiv daran mitarbeiten.“ Eine Teilnehmerin wies dabei auf die Bedeutung kommunaler Wärmepläne hin. Baumann nahm den Faden dankbar auf: Dänemark habe frühzeitig die Vorteile von Nahwärmenetzen gesehen und die Gemeinden zur lokalen Wärmeplanung verpflichtet. „Das machen wir auch in Baden-Württemberg.“ Denn nur, wenn man wisse, wo Wärme entsteht und verbraucht wird, könne man für gute Verteilung sorgen. „Wenn man Straßen für neue Kabel aufreißt, kann man auch überlegen, ein Wärmenetz zu legen. Das Land unterstützt Kommunen sowohl bei der Wärmeplanung als auch beim Bau von Wärmenetzen.“ Der CO2-Preis sei schon da, Kohle und Gaspreise stiegen. In diesem Zuge würden Erneuerbare Energien attraktiver. „Ich möchte nicht, dass Bürgerinnen und Bürger durch die Energiewende benachteiligt werden. Im Gegenteil: Die alte Energiewelt muss die neue Energiewelt finanzieren“, findet Baumann.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die mögliche Lithiumgewinnung als Nebenprodukt der Geothermie. Die Angst, dass angeblich windige Unternehmen in Goldgräberstimmung hundertfach in der Kurpfalz nach dem wichtigen Metall für die Herstellung von Batterien suchen, sei ungerechtfertigt. Alleine schon, weil das durch die bergrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht möglich sei. Baumann weist aber auf ein aktuelles Forschungsprojekt zur Lithiumgewinnung hin, wonach als Beiprodukt der Erdwärmegewinnung auch Lithium für tausende von Autobatterien gewonnen werden könne. „Ich finde die Lithium-Förderung hochspannend, wenn die Sicherheit gewährleistet ist. Und ich fände es gut, wenn das Lithium bei uns gewonnen würde, damit der ökologische Fußabdruck für Elektroautos bei uns bliebe und nicht in der Chilenischen Atakama-Wüste.“
Dass alle Teilnehmenden der Veranstaltung zwei Stunden lang treu geblieben sind, zeigt das große Interesse zum Thema Geothermie allgemein aber auch, dass es viele Sorgen und Ängste bezüglich dieser Technologie gibt. Im Ziel waren sich aber scheinbar alle einig: Wir brauchen eine sichere, klimaneutrale, saubere und günstige Energieversorgung. Baumann fasste es abschließend zusammen: „Es gibt zu vielen Projekten auch skeptische Stimmen, aber irgendwie müssen wir es gemeinsam schaffen, die Energiewende zu vollziehen. Dazu brauchen wir einen massiven Ausbau regenerativer Energien.“ Sonnenenergie ist eine davon und darum gebe es ja auch die Photovoltaikpflicht für Neubauten. Und neben anderen klimafreundlichen Energiequellen, sei eben die Geothermie ein weiterer Baustein zu mehr nachhaltiger Energie, die wir so dringend benötigen.