Der Landtagskandidat der Grünen trifft die Bürgerinitiative, die sich gegen eine Rastplatzerweiterung in Hockenheim einsetzt.

Hockenheim. Wer kennt es nicht? Autobahnraststätten, die abendlich weit über die vorgesehenen Stellflächen mit Lastern zugeparkt sind? Nicht selten dort, wo es gefährlich oder nicht erlaubt ist. Die Situation für LKW-Fahrer ist unzumutbar. Aber neue Rastanlagen können für betroffene Anwohner ebenfalls unzumutbar sein. Der Landtagskandidat der Grünen, Dr. Andre Baumann, hat sich mit der Bürgerinitiative „Pro Stadtwald C4“ aus Hockenheim und Mitgliedern der grünen Stadtratsfraktion vor Ort getroffen, die sich gegen eine Erweiterung des LKW-Rastanlage in den Hockenheimer Stadtwald ausspricht. Gemeinsam wurde besprochen, wie das Problem gelöst werden kann.

„Die Eichen und die Esskastanien sind gut angewachsen.“ Stolz zeigten die Mitglieder der BI „Pro Stadtwald C4“ Baumann die im Stadtwald gepflanzten Bäume. „Wir übernehmen Verantwortung für den Hockenheimer Stadtwald“, sagte Stefanie Garcia Laule, Sprecherin   der Bürgerinitiative. Beim Blick in die Baumkronen der vereinzelt stehenden Kiefern ist zu erkennen: Die alten Kiefern sind krank und schwach. In den schütteren Kronen gedeihen Kiefernmisteln, welche die Bäume weiter schwächen.  Auch im Hockenheimer Stadtwald fordern drei heiße und trockene Sommer ihren Tribut. Von Förstern wurde die Bürgerinitiative beraten, welche Bäume sie pflanzen soll und wie dies am besten geschieht. Die Bürgerinitiative setzt sich gegen eine Erweiterung der Tank- und Rastanlage Hockenheim und für einen Erhalt des Stadtwaldes ein. Es geht ihnen um den Wald als Naherholungsgebiet, als Lärmschutz und grüne Lunge für angrenzende Wohnbereiche. Baumann hört sich die Argumente der Rastplatz-Kritiker an, studiert Karten, läßt sich durch den Wald führen. Sie präsentieren alternative Standorte und ergänzende Vorschläge zur  Rastanlagenerweiterung. 

Engagement für den Hockenheimer Stadtwald hat in Hockenheim Tradition. Adolf Härdle, Stadtrat und grünes Urgestein, berichtet vom vielfältigen Engagement der Hockenheimer Grünen für den Stadtwald. Baumann zeigt sich beeindruckt, dass in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten einige Waldflächen geschont und Projekte an anderer Stelle realisiert worden waren. Erfolgsfaktoren: Fakten und gute Alternativvorschläge. An diese Tradition knüpfe, so Baumann, die Hockenheimer BI an, da sie mit Fakten argumentiert und Alternativen erarbeitet hat.

„Ich kann Ihr Anliegen gut verstehen und unterstütze es“, sagte der Landtagskandidat der Grünen zur BI „Pro Stadtwald C4“. „Gleichwohl möchte ich nicht, dass die Gemeinde Reilingen gegen die Stadt Hockenheim ausgespielt wird.“ Der Hockenheimer Stadtwald ist ein möglicher Standort für eine LKW-Rastanlage, ein anderer sind Ackerflächen in Reilingen, die die Menschen in Reilingen ebenfalls nicht verlieren möchten. Dieses Anliegen teilt die Hockenheimer Bürgerinitiative. Baumann sprach auch die Sorgen und Nöte der LKW-Fahrer an. „Wo und wie sollen die armen Kerle schlafen? Irgendwann nach einer langen Fahrt müssen sie ihre gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit einhalten. Und dann muss in der näheren Umgebung eine Raststelle sein, die auch noch Platz hat.“ Grundproblem sei, dass der Güterverkehr auf der Straße sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt habe. 

„Wir brauchen dringend eine Verkehrswende und eine intelligente Steuerung von Gütertransporten“, sagte Baumann. Güter, die über lange Strecken transportiert werden, gehörten stärker auf die Schiene. Nur die letzten Kilometer sollten auf der Straße mit Lastern gefahren werden. Dafür müsse die Schieneninfrastruktur ausgebaut werden, wie beispielsweise die Rheintalbahn. Baumann befürwortet auch technische, intelligente Lösungen. „Sehr viele Laster fahren leer über die Autobahn“, weiß Baumann zu berichten. „Jeder Lasterfahrer hat ein Handy. Es ist der Kontakt zur Familie, zu Freunden und zur Firma.“ Über eine spezielle Handy-App, die an ein ein lernendes System angeschlossen werde, könne für eine bessere Auslastung der Laster und weniger Leerfahren sorgen. Der Fahrer könne einbuchen, dass auf der Rückfahrt eines Transport sein Laster halbleer sein. Kunden, die Waren genau auf dieser Strecke zu diesem Zeitpunkt transportieren möchten könnten – „live“ – über dieses intelligente System diese freien Kapazitäten nutzen und den Lasterfahrer buchen. „Computer sind einfach schneller als Menschen im Callcenter von Logistikunternehmen“, sagte Baumann. Diese Entwicklung sei keine Fiktion, sondern könne in ein paar Jahren einsatzbereit sein. „Wir müssen die Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit nutzen, Ökonomie und Ökologie zusammenbringen. Dann fahren weniger Laster über die Straßen.“ Baumann kann sich ebenfalls eine intelligente Rastplatzsteuerung vorstellen. „Wie soll es kein System geben, in dem der Brummi-Fahrer live sehen kann, wo er sich mit seinem Fahrzeug hinparken kann?“ Baumann mahnt jedoch zu Realismus: „Wenn die Verkehrswende gelingt, werden noch tausende mit Wasserstoff betriebene Laster auf unseren Autobahnen fahren. Und die Fahrer brauchen dann Rastplätze“, so Baumann. 

Baumann fordert Bürgerbeteiligung

Die Aktiven der Bürgerinitiative berichteten, dass sie von den Behördenvertreterinnen und 
-vertretern ernst genommen werden möchten; auch vor dem Hintergrund eines zukünftigen Zuständigkeitswechsels in der Verwaltung. Derzeit bearbeitet das Regierungspräsidium im Auftrag des Bundesverkehrsministerium die Standortsuche für eine Rastplatzfläche. In wenigen Monaten wird die neu gegründete Bundesautobahngesellschaft die Standortsuche und Planung übernehmen. Die Bürger befürchteten, noch weniger gehört zu werden, wenn Berlin zuständig sein wird. „Das Land Baden-Württemberg hat sich strikt gegen das Prestigeprojekt Bundesautobahngesellschaft von Bundesminister Scheuer eingesetzt – leider ohne Erfolg. Entscheidungen werden nicht besser, wenn sie im fernen Berlin getroffen werden“, sagte Baumann, der als Bevollmächtigter der Landesregierung das Land Baden-Württemberg in Berlin vertritt. Der Landtagskandidat der Grünen plädiert für einen offenen Bürgerdialog der frisch gegründeten Autobahngesellschaft mit der Bürgerschaft aus Hockenheim, Reilingen und Umgebung. „Wir haben in den letzten Jahren bei vielen Projekten im Land gezeigt, dass bei Bürgerbeteiligungen gute und von der Mehrheit akzeptierte Lösungen gefunden werden konnten. Die von Ministerpräsident Kretschmann ausgerufene Politik des Gehörtwerdens funktioniert. Demokratien lebt von Kompromissen und wir brauchen Orte, wo Kompromisse gefunden werden können“, sagte Baumann. Wichtig sei, dass ein Dialog zwischen Behördenvertretern, Fachplanern und Bürgerinnen und Bürgern auf Augenhöhe stattfindet. „Vielleicht kann die eine oder andere Idee von Ihnen, wo Rastplatzflächen naturverträglicher realisiert werden können, aufgegriffen, weiterentwickelt und am Ende umgesetzt werden.“