Pressemitteilung vom 1. März 2021

Die nächtliche Kälte liegt noch über der Plankstadter Feldflur, als sich Corona-bedingt eine Handvoll Naturfreunde aus dem Kreis der Lokalen Agenda Plankstadt am Sonntagmorgen auf der Streuobstwiese von Winfried Wolf am „Hasenpfad“ treffen: zum politischen Baumschnittkurs. Die Streuobstwiese ist in Dritter Generation im Besitz der der Familie Wolf. „Die alten Bäume hat mein Großvater gepflanzt und erzogen. Ich  habe nachgepflanzt und pflege unsere Bäume.“ Referent ist Dr. Andre Baumann. „Das ist wohl der einzige Staatssekretär Deutschlands, der Baumschnittkurse geben kann“, sagte Wolf. Baumann verband bei seinen Ausführungen Wissenswertes und Politisches. Am Ende des Vormittags waren die Bäume alle geschnitten – fast.

„Baden-Württemberg ist Streuobstregion – nicht nur in Deutschland, sondern überhaupt. Darum haben wir eine globale Verantwortung für diese Kulturlandschaft“, sagte Baumann. Streuobstwiesen gehörten mit rund 4.000 bis 5.000 nachgewiesenen Arten zu den artenreichsten Ökosystemen Europas. Rund 9 Millionen Streuobstbäume stehen im Land, mit einem Schwerpunkt in Württemberg. „Der württembergische König hatte seine Untertanen nach der großen Hungersnot aufgefordert, Streuobstwiesen rund um die Siedlungen anzulegen, damit sie sich auch im Winter gesund ernähren können: mit Äpfeln. Die kann man lagern.“ Baumann berichtete, dass die Landesregierung eine Streuobstkonzeption erarbeitet, den Baumschnitt von Streuobstbäumen fördere und die Fördermittel von Streuobstwiesen erhöht habe. „Doch das wird nicht reichen. Das Land kann nicht alles richten. Wir werden unsere Streuobstwiesen nur erhalten, wenn Bauern und Stücklesbesitzer Geld für die Bewirtschaftung ihrer Streuobst bekommen.“ Dies hätten die Verbraucherinnen und Verbraucher in der Hand. „Wir bestimmen mit unserem Einkaufskorb wie unsere Heimat aussieht: Statt Golden Delicius und Granny Smith sollten Gewürzluike und Goldparmäne gekauft werden – zwei heimische Tafelstreuobstsorten. Statt chinesischen Apfelsaftkonzentrat heimische Apfelsaft von heimischen Streuobstwiesen. Der schmeckt auch viel besser und ist gesünder. Sprich: Wir müssen patriotisch einkaufen“, so Baumann.

Auch beim Baumschnitt ließ Baumann Politik einfließen. „Wichtig ist, dass man vor und während des Baumschnitts um den Baum herumgeht, die Perspektive verändert“, sagte er und diskutierte mit Wolf, der anfangs einen anderen Standpunkt hatte, welche Äste herausgeschnitten werden sollten. „Natürlich müssen Äste herausgeschnitten werden. Es muss Licht in die Baumkrone kommen. Aber man sollte nicht zu radikal schneiden, radikal ist nie gut“, betonte Baumann. „Das hast Du Recht, lieber Andre“, rief Wolf. Baumann erklärte die unterschiedlichen Baumschnitttraditionen des Landes: den Alt-Württemberger Schnitt und den Baumschnitt nach Palmer, den der Vater des Tübinger Oberbürgermeisters, Helmut Palmer, eingeführt habe. „Der Remstalrebell Helmut Palmer hat mit dem kämpferischen Verkünden der neuen Baumschnitttechnik einen Streuobstkrieg ausgelöst – und am Ende gewonnen.“ Aber man einigte sich: Alte Bäume die altwürttembergisch erzogen wurden, werden nicht umerzogen.

Das Ende des Baumschnittkurses kam abrupt. Am letzten Baum, der zu schneiden war, ging der Hochentaster kaputt. „Den Baum schneiden wir dann in der nächsten Saison“, sagte Wolf. Baumann ergänzte: „Und vorher komme ich im Sommer mit einem Balkenmäher. Diese Wiese sollte auch gemäht werden, damit sie artenreich bleibt.“