Beim letzten Treffen der Schwetzinger Grünen drehte sich thematisch alles um die Energiewende. Dazu hatten die Grünen ihren Landtagsabgeordneten Dr. Andre Baumann eingeladen, um über die Umsetzungsstrategie des Landes zu sprechen und mit den Anwesenden darüber zu diskutieren, wie die Klimaziele für das Jahr 2030 zu erreichen sind.

„Der Klimawandel steht nicht mehr vor der Tür. Er hat die Tür längst eingetreten. Wir haben es an den Temperaturen in diesem Sommer gemerkt“, so Baumann, der in zweifacher Hinsicht Experte für die Energiewende ist: Er kennt sich nicht nur bestens mit den Gegebenheiten in unserer Region aus, sondern ist auch als Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes täglich mit dem Aufbau einer klimaneutralen Energieversorgung befasst. Das Land Baden-Württemberg verfolgt ehrgeizige Ziele: Der CO2-Ausstoß in Baden-Württemberg soll bis 2030 im Vergleich zum Jahr 1990 um mindestens 65% sinken und bis 2040 soll das Land klimaneutral sein.

Der Klimawandel ist überall schon deutlich sichtbar, so Baumann. „Man sieht es zum Beispiel in unseren Dünenwäldern, wo alte Kiefern und Buchen bereits heute flächenhaft abgestorben und die noch erhaltenen Bestände zukünftig gefährdet sind.“ Darum müsse mit vereinten Kräften an einer schnellen Energiewende gearbeitet werden. Ein wichtiger Baustein dafür sind die erneuerbaren Energien, die nun mit Hochdruck ausgebaut werden müssen: „In Baden-Württemberg sollen mindestens zwei Prozent der Fläche jeder Region für Windkraft und Photovoltaik ausgewiesen werden. Darauf hätten mehr als 1000 Windenergieanlagen Platz“, führte Baumann aus, und auch Waldgebiete sollen hierfür genutzt werden: Forst BW soll Platz für mindestens 500 Windenergieanlagen im Staatswald schaffen. „Hohe Pachterträge machen es für Waldbesitzer und Landwirte attraktiv, ihren Boden für Windräder zur Verfügung zu stellen. Allerdings müssen die Genehmigungszeiträume für Windkraftanlagen verkürzt werden.“

Neben der Windkraft spielt auch die Sonnenkraft eine bedeutende Rolle bei der Energiewende. „Ab 1. Januar 2023 besteht eine Solarpflicht für neue gewerbliche Gebäude und ab 1. Mai 2023 auch für neue Privatgebäude. 65% der Dachfläche müssen dann mit Photovoltaik belegt werden.“ Ab dem 1. Januar 2023 gilt die Photovoltaikpflicht auch für Bestandsgebäude, wenn die Dachflächen grundlegend verändert werden. Das ist auch eine große Chance für das Handwerk und die Industrie, weiß Baumann, der es sehr bedauert, dass die Photovoltaik-Industrie in Deutschland systematisch von früheren Bundesregierungen kaputt gemacht wurde. Mit vereinten Kräften an der Energiewende zu arbeiten, bedeutet für Baumann auch, eine gemeinsame europäische Energie- und Industriepolitik, um Photovoltaik- und Windindustrie wieder aufzubauen. „Wir müssen uns bei der Solarmodulproduktion aus der Abhängigkeit Chinas befreien.“

„Bei Windstrom gibt es ein Ungleichgewicht zwischen Norden und Süden. Die meisten Windkraftanlagen stehen entsprechend der Standortvorteile in Norddeutschland. Wir werden deshalb auch Strom aus Windenergie von Norddeutschland beziehen müssen. Dafür brauchen wir Stromleitungen – auch im Bereich Schwetzingen. Wir fahren und heizen künftig mit Strom und dieser Strom muss aus Erneuerbaren Energien stammen.“

Und auch in anderen Bereichen schafft das Land Voraussetzungen für mehr Klimaschutz: Nach dem neuen Klimaschutzgesetz in Baden-Württemberg müssen alle neuen Förderprogramme dem Klimaschutz dienen. Das gilt für die Förderung von Schulen ebenso wie im Straßen- und Wohnungsbau. Landesgebäude müssen bis 2030 klimaneutral sein.

„Beim Klimaschutz müssen wir alle an einem Strang ziehen“, so Baumann. Auch die Städte und Gemeinden im Wahlkreis können viel zum Klimaschutz beitragen: „Es existieren Förderprogramme für die Kommunen, um die Energiewende voranzubringen „Ich erwarte, dass auch in Schwetzingen Solarparks entstehen.“ Diese können der Stadt, ebenso wie Windräder, hohe Pachteinnahmen und Erträge aus der Gewerbesteuer einbringen. Und der Entenpfuhl ist beispielsweise für Windenergieanlagen geeignet. „Pro Anlage müsste nur ein halber Hektar Wald gerodet werden. Der Kiesabbau im Entenpfuhl würde dagegen 40 Hektar Wald vernichten.“

Zur Energiewende gehört natürlich auch die Wärmewende: „Wir müssen auch hier CO2-neutral werden.“ Darum gibt es für Haussanierungen und für Neubauten ebenfalls Förderprogramme. „Die Preise für energetisch hochwertige Neubauten sind nicht wesentlich höher als für konventionelle Häuser. Durch die niedrigeren Energiekosten ergibt sich aber auf lange Sicht ein erhebliches Einsparpotential“, erklärte Baumann. Aber nicht nur das Einsparen von Wärme ist aktiver Klimaschutz, sondern auch die Erzeugung von Wärme muss klimafreundlich sein. Exemplarisch nannte Baumann die Fernwärme. „Am Fernwärmenetz der MVV hängen 120.000 Haushalte. Künftig soll Fernwärme nicht mehr aus Kohle, sondern hauptsächlich über Geothermie gewonnen werden. Drei Geothermie-Anlagen können die Grundversorgung für 120.000 Haushalte liefern.“ Wärme kann ebenfalls aus Biogas-Anlagen, der Müllverbrennung oder aus Flusskraftwerken stammen und damit wesentlich klimafreundlicher als das bisherige Kohlekraftwerk sein. „Wenn wir jetzt in Wärmenetze investieren, kostet das zwar und ist aufwändig. Aber auf lange Sicht zahlt sich das doppelt und dreifach wieder aus.“

Ebenfalls wichtig für die Energiewende ist die Verkehrswende. „Ich setze mich sehr für einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs ein“, so Baumann. So begrüßte er ausdrücklich den neuen S-Bahn-Haltepunkt im Hirschacker und verfolgt mit Nachdruck den Bau einer Gleiskurve in Friedrichsfeld, damit eine schnelle Anbindung von Neulußheim, Hockenheim, Oftersheim und Schwetzingen nach Heidelberg möglich wird.

Nach einer lebhaften Diskussion unter den Zuhörern zu den Themen Windenergie, Gas- und Stromnetze fragte Ortsverbandssprecherin Dr. Susanne Hierschbiel nach einer Prognose: Sind die Klimaziele 2030 durch einzelne Entscheidungsträger beeinflussbar? Sind die Klimaziele überhaupt zu erreichen? Baumann weiß, dass in einer Demokratie mit verschachtelten Entscheidungsebenen Veränderungen schwieriger und nicht so schnell umzusetzen sind wie in einer Autokratie. „Aber in einer Autokratie wollen wir sicher nicht leben.“ Darum komme es darauf an, dass wir alle gemeinsam an der Energiewende arbeiten. „Und ich bin zuversichtlich, dass uns das auch gelingt. Dafür arbeite ich, dafür arbeiten wir alle.“